Möglichkeiten und Grenzen

Die SIA verdeutlicht, dass oftmals geringe Restwandstärken ausreichen, damit die Bruchsicherheit eines Baumes gewährleistet ist. Häufig genügt eine visuelle Inaugenscheinnahme oder eine Klopfprobe auf Hohlklang, um festzustellen ob die berechnete Mindestrestwandstärke überschritten ist (Wessoly & Erb 2014). Somit kann vielfach auf den Einsatz kostspieliger Untersuchungsmethoden verzichtet werden. Doch auch zur Beurteilung der Ergebnisse einer Schalltomographie kann die SIA als Auswertungsmethode herangezogen werden (Detter et al. 2010).

Im Gegensatz zu einer subjektiven „Bauchgefühlseinschätzung“ oder der Anwendung starrer Regeln, wie z.B. der 1/3-Restwandstärke-Regel (Gruber 2017), ist die SIA objektiv und sachlich nachvollziehbar.

Der zweigeteilte Ansatz der SIA verdeutlicht zudem, dass bei unzureichender Tragfähigkeit eines Baumstammes nicht zwangsläufig eine Fällung erforderlich ist. Durch eine Kroneneinkürzung können die Windlasten erheblich reduziert und die Verkehrssicherheit kann wiederhergestellt werden. Abhängig von der Lebenskraft des Baumes und der Aggressivität des Schaderregers ist es zudem möglich, dass durch weiteres Dickenwachstum die Tragfähigkeit erhöht wird und nach Jahren wieder höhere Sicherheitsreserven gegeben sind.

Die Anwendung der SIA-Diagramme oder verfügbarer Rechenprogramme ist aufgrund begrenzter Auswahlmöglichkeiten mit gewissen Unsicherheiten verbunden, weshalb konservative Einschätzungen im Sinne einer Extremwertanalyse getroffen werden müssen (Detter et al. 2010). Wenn aufgrund des Schadensausmaßes eine genauere Betrachtung erforderlich ist, können aufwändigere Bewertungsmethoden angewandt werden, die das Prinzip der SIA aufgreifen:

Das Programm TreeCalc (arbosafe GmbH) ermöglicht die Berücksichtigung von Rissen und offenen Höhlungen, welche die Tragfähigkeit erheblich herabsetzen können.

Die wohl präziseste Berechnung des Widerstandsmomentes der geschädigten Stammebene kann mithilfe einer Flächenanalyse eines vorliegenden Schalltomogramms erzielt werden.

Auch für die Windlastabschätzung stehen Modelle zur Verfügung, welche die Kronenform präziser erfassen, weitere Baum- und Standortsparameter, sowie dynamische Reaktionen miteinbeziehen und somit genauere Lastanalysen ermöglichen.

In vielen Fällen sind die genannten zeitsparenden frei verfügbaren Methoden jedoch ausreichend, um anhand von Baumhöhe, Stammdurchmesser und wenigen weiteren Parametern eine sicherheitsbedachte Baumbeurteilung zu gewährleisten.

 
Quellen:

Detter, A., Brudi, E., Bischoff, F. 2010: Messverfahren und Bewertungsmethoden zur Verkehrssicherheit, AFZ-DerWald 8/2010, S. 34-35

Gruber, F. 2007: Die VTA-0,32-Restwandstärkenregel, wissenschaftlich unhaltbar und praktisch unbrauchbar

Wessoly, L. & Erb, M. 2014: Handbuch der Baumstatik und Baumkontrolle, Patzer Verlag, Berlin – Hannover, 287 S.